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demenz
DAS MAGAZIN
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17 · 2013
praxis
Beratung steht an erster
Stelle. Erst wenn nichts
anderes hilft, muss manchmal
auch zu restriktiven Mitteln
gegriffen werden.
Auf dünnem Eis – die Personalsituation
Ein wichtiger Punkt bei Überprüfungen ist die Perso-
nalsituation. Gibt es ausreichend Personal und wird
die Fachkraftquote eingehalten? Ute Seiler: „Vereinzelt
stellen wir fest, dass ungeeignetes Personal eingesetzt
wird. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben.
Zum Beispiel wenn jemand als Fachkraft beschäftigt
wird, es aber definitiv nicht ist. Hier würden wir dann
den Einsatz als Fachkraft untersagen.“
In
demenz.
DAS MAGAZIN
(Ausgabe 15)
berichtete eine
Heimleiterin, der in der Pflegesatzverhandlung aus-
gehandelte Personalschlüssel würde vom Heimträger
nicht eingehalten, um sich zu bereichern. (Vergleiche
„Unmoralische Geldentnahmen: Abzocken im Heimbe-
reich“ Heft 15, Seiten 24-27) Wird bei einer Überprüfung
durch die Heimaufsicht kontrolliert, ob der verhandelte
Personalschlüssel eingehalten wird? Ute Seiler: „Das
verhandelte Personalsoll nehmen wir als Anhaltspunkt.
Allerdings ist der ausgehandelte Personalschlüssel heim-
rechtlich nicht bindend einzuhalten. Heimrechtlich muss
eine ordnungsgemäße Pflege gewährleistet sein und
lediglich dafür muss ausreichend Personal vorhanden
sein. Es ist aber nicht definiert, was das heißt. Das ist
ein Bereich, der für uns häufig schwierig zu beurteilen
ist, solange wir nicht gleichzeitig Pflegemängel fest-
stellen müssen.“ Oliver Rothhardt ergänzt: „Auch wenn
die Fachkraftquote nicht eingehalten ist, müssen wir
überlegen, was das bedeutet und wie damit umgegan-
gen werden soll. Mahnen wir an und tolerieren, bis ein
Pflegefehler oder ein Skandal passiert? Oder leiten wir
strenge Schritte ein, die dann heißen: die Bewohnerzahl
so stark zu verringern, bis das vorhandene Personal
ausreicht? Was schlichtweg ein Belegungsstopp ist. Da
bewegen wir uns auf sehr dünnem Eis.“ „Eine solche
Anordnung aufgrund von Personalunterschreitung, die
nicht gleichzeitig durch Pflegemängel untermauert wird,
hätte vor Gericht unter Umständen keinen Bestand.
Einzelne Urteile zeigen das auch“, erläutert Frau Seiler.
Von der Möglichkeit der Kostenträger, bei Personal-
unterschreitung und gleichzeitigen Mängeln die ver-
einbarte Pflegevergütung zu kürzen, wird bisher kaum
genutzt. Obgleich die Heimaufsicht den Kostenträgern
das Prüfergebnis mitteilt.
Für Heimaufsichten ist es angesichts des Pflegekräf-
temangels schwierig geworden, zu argumentieren. Nicht
auszuschließen ist, dass Träger dies auch ausnutzen und
Stellen mit dem Verweis, keine Pflegekraft zu finden,
nicht besetzen. Da bleibt nur, sich die Bemühungen
anzuschauen und der Versuch, sie zu bewerten. Fest-
gestellter Personalmangel wird immer dokumentiert.
Michael Ganß
ist freibe-
ruflicher Gerontologe und
Kunsttherapeut, 2. Vorsit-
zender der Werkstatt De-
menz e. V. und geschäfts-
führender Herausgeber von
demenz
.
Nicht alles, was
wünschenswert ist,
lässt sich erzwingen!
Werden irgendwann Mängel in der Pflege festgestellt,
kann sofort gehandelt werden. So entsteht dann kein
weiterer Zeitverzug mehr. Neben der Personalsituation
ist die Pflegequalität Schwerpunkt der Begutachtung
durch die Heimaufsicht. In Rotenburg wurde das Team
dafür mit einer Pflegesachverständigen verstärkt. So
kann qualifiziert überprüft werden, ob die geplanten
und dokumentierten Pflegehandlungen auch durchge-
führt werden. Da hierbei die begutachteten Bewohner
gezielt nach pflegerelevanten Risiken ausgewählt wer-
den und nicht stichprobenartig, unterscheiden sich
die Begutachtungsergebnisse oft von denen des MDK.
Mehr Handlungsmöglichkeiten
für bessere Qualität erwünscht
Die Qualität eines Heimlebens lässt sich nicht an der
pflegerischen Versorgung allein festmachen. Anders als
in Bayern verfügt die Heimaufsicht in Niedersachsen
über keinen so aktuellen und umfangreichen Prüfleit-
faden. Sie kann somit vielfach nur Empfehlungen
aussprechen, da das Heimgesetz hier keine konkre-
ten Vorgaben macht und die derzeit noch geltenden
Bundes-Heimverordnungen in ihrer Aktualität überholt
sind. So gibt es kaum Handhabungsmöglichkeiten,
wenn eine Einrichtung sich hier nicht auf dem aktuell
gängigen Standard bewegt. Es kann immer nur wieder
angesprochen und im Bericht erwähnt werden.
Ein Gefühl von Machtlosigkeit stellt sich bei Ute
Seiler und Oliver Rothhardt trotzdem nicht ein. Liegen
gravierende Mängel vor, können sie die Klaviatur der
möglichen Maßnahmen bis zu Heimschließung nut-
zen. Die mangelnden rechtlichen Rahmenbedingen in
Niedersachsen erschweren manchmal ein Durchsetzen
aktueller Qualitätsstandards. Andererseits bietet es den
Beratungsfreiraum für individuelle Lösungen.
Jährlich alle 29 vollstationären Einrichtungen, alle
10 Tagespflegen und andere dem Heimgesetz zugeord-
neten Wohnformen zu überprüfen, gelingt momentan
leidlich. Durch die Zusammensetzung des Teams mit
einer Verwaltungsfachkraft und einem Sozialarbeiter
sowie der Pflegesachverständigen liegen gute Vor-
aussetzungen für die Bewältigung der Aufgaben vor.
Langfristig wird man schauen müssen, wie sich die
Heimaufsicht angesichts zunehmender Anforderungen
optimal aufstellen kann.
schlechte Pflege