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demenz
DAS MAGAZIN
|
17 · 2013
praxis
Versicherung meine Diagnose mitgeteilt und
dann werden wir entscheiden, ob ich den Füh-
rerschein abgebe. Das Gefühl, dann abhängig
zu sein, ist natürlich schlimm.
Andererseits fände ich eine Regelung gut, die
eine grundsätzliche altersbezogene Überprü-
fung der Fahrtauglichkeit vorsieht. Das würde
einiges erleichtern.
demenz:
Wenn man von der Mobilität einmal
absieht, gibt es noch andere Situationen, die
von der Demenz beeinflusst werden?
Wihelm Brühl:
Meine Frau sagt, ich zie-
he mich zurück. Ich bin immer mit einigen
Bekannten hier in der Gegend wandern ge-
gangen. Das sage ich jetzt meistens ab. Ich
wandere fast ausschließlich nur dann noch mit
Bekannten und Freunden, wenn auch meine
Frau mitgeht.
demenz:
Wissen Ihre Bekannten denn, dass
Sie an Demenz leiden?
Wihelm Brühl:
Ja. Der engere Bekannten-
kreis weiß Bescheid.
demenz:
Das war sicher kein leichter Schritt.
Wilhelm Brühl:
Es war eigentlich nicht
so schwer, Freunden und Bekannten zu er-
zählen, dass ich eine Demenz habe. Aber es
fällt mir schwer, mich bestimmten Situationen
auszusetzen. Ich stelle mir dann vor, wie das
ist, wenn sich alle über aktuelle Themen un-
terhalten und ich kann am Ende keinen Beitrag
dazu leisten.
demenz:
Aber Sie sind ein toller Gesprächs-
partner! Ich möchte zum Abschluss noch
einmal auf Ihre wunderschönen Reisen zu
sprechen kommen. Haben Sie schon Pläne
für weitere Reisen?
Wihelm Brühl:
Unsere letzten Ziele im Vor-
deren Orient haben wir ja glücklicherweise
noch bereist, bevor die Lage dort eskalierte.
Es berührt uns sehr, wenn wir im Fernsehen
Bilder von zerstörten Städten sehen, die wir
noch in ihrer vollen Pracht erleben durften.
Und ich habe durch einen Herzinfarkt vor ein-
einhalb Jahren ein weiteres einschneidendes
gesundheitliches Erlebnis gehabt. Meine kör-
perliche Leistungsfähigkeit ist dadurch schon
beeinträchtigt. Trotzdem war ich mit meiner
Frau im vergangenen Jahr zum Wandern in
Südtirol. Wir haben für den Aufstieg in den
Sattel zwar zwei Stunden gebraucht, aber das
war ein unheimlicher Erfolg! Der Wunsch ist
schon da, wieder dort hinzufahren.
demenz:
Das war ein sehr interessantes Ge-
spräch, Herr Brühl. Vielen Dank dafür!
lingt, dann frage ich meine Frau. Sie sagt dann
oft: „Ich gebe dir ein Stichwort.“ Und mithilfe
dieses Stichwortes fällt es mir dann meistens
wieder ein.
demenz:
Wenn Sie noch einmal an die Zeit der
Diagnostik denken: Wie haben Sie die Unter-
suchungen in der Gedächtnisambulanz erlebt?
Wihelm Brühl:
Die Tests sind schon sehr
anstrengend. Man muss sich extrem konzen-
trieren und die zeitlichen Vorgaben sind ein
enormer Stressfaktor. Und gerade Stress wirkt
sich bei der Demenz ja eher negativ aus.
demenz:
Wenn ein Partner an Demenz er-
krankt, hat dies ja in vielerlei Hinsicht Auswir-
kungen auf das gemeinsame Leben. Manchen
Auswirkungen kann man aktiv entgegenwir-
ken, indem man geeignete Strategien entwi-
ckelt. Inwieweit lassen Sie und Ihre Frau es zu,
dass die Erkrankung Einfluss auf Ihren Alltag
nimmt, ihn begrenzt? Ich meine damit, dass
mit der Erkrankung ja auch Ängste verknüpft
sein können, durch die man sein Leben weitaus
mehr einschränkt, als das durch die Krankheit
an sich notwendig wäre.
Wihelm Brühl:
Es hat schon Auswirkun-
gen auf unseren Alltag. Bisher sind wir ja
zum Beispiel beide Auto gefahren. Jetzt hat
meine Frau Angst, wenn ich allein mit dem
Auto unterwegs bin. Wir haben kürzlich der
Andrea Kynast
ist freiberufliche Gerontologin und Mo-
deratorin der unterstützten Selbsthilfegruppe „Elan
Vital“. Sie gehört dem Kompetenzteam von
demenz
an.
E-Mail: a.kynast@fokus2.lebenshälfte.com
„Plötzlich wusste ich nichts mehr.
Nicht, in welcher Pension wir wohnten, nicht,
in welches Geschäft meine Frau gegangen war.“
Fotos (2): privat