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demenz
DAS MAGAZIN
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17 · 2013
Große Heimbauten mit Platzzahlen, für die gar kein
Bedarf besteht oder die nicht gewünscht sind, weil man
sozialpolitisch in der Gemeinde auf kleinräumige am-
bulante und ins Gemeinwesen integrierte Wohn- und
Betreuungsformen setzt – das sind für viele Kommunen
reale Probleme oder Befürchtungen. Obwohl gesetzge-
berische Vorgaben die Gestaltungsmöglichkeiten der
Kommunen in diesem Bereich tatsächlich immer mehr
zugunsten des „freien Spiels der Marktkräfte“ reduziert
haben, gibt es sie dennoch. Und immer mehr Gemeinden
wollen nicht länger tatenlos zusehen, wie Investoren-
interessen sich vor ihrer Haustüre ungehemmt gegen
kommunale sozialplanerische Konzepte durchsetzen
und diese zu Makulatur machen. Doch was tun?
Im Kreis Warendorf ist man sich einig
Im Kreis Warendorf in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist
man einen ersten Schritt gegangen. Auf Antrag der
CDU-Kreistagsfraktion hat sich der Sozialausschuss im
vergangenen Jahr mit der Frage befasst, wie der Bau
von Heimen, die in der Kommune nicht erwünscht sind,
gehemmt und verhindert werden kann. Und siehe da,
alle Parteien, von der CDU, der SPD und der FDP über
die Grünen und die Freien Wähler bis hin zur Linken,
waren sich in dieser Intention einig und stimmten einem
entsprechenden Antrag zu. „Wir haben bei uns im Kreis
im Vergleich zur ambulanten Pflege einfach zu viele
Heime“, meint Robert Strübbe, Vorsitzender des Sozi-
alausschusses. „Wir haben zwar eine Bedarfsplanung,
aber darin wird ja nur der Bedarf erfasst und berechnet.
Wenn ein Investor kommt und über eine Baufläche ver-
fügt, dann können wir ja gar nichts machen. Der kann
dann einfach ein großes Haus da hinsetzen, obwohl wir
etwas ganz anderes wollen.“
Das soll zukünftig aber wieder anders werden. Robert
Strübbe: „Als Kommune haben wir jetzt nur noch die
Möglichkeit, etwas über Bebauungspläne zu regeln.
Darauf zielt auch der vom Sozialausschuss beschlos-
sene Antrag.“
Doch wie darf man sich das konkret vorstellen? In
der Regel, so erläutert es der CDU-Politiker, sehen
Bebauungspläne ja eine Wohn- oder Mischbebauung
 Kommunen leisten Widerstand gegen Investoreninteressen
Betonburg ade!
Peter Wißmann
vor, die auch Vorgaben zur Zahl der Wohneinheiten
und der Geschossanzahl beinhalten. Eine stationä-
re Anlage würde aufgrund ihrer Größe aber immer
über diese Vorgaben hinaus- und oft über mehrere
Flurstücke gehen. Daher sei dann eine Änderung des
Bebauungsplans vonnöten. „Dort habe ich aber als
Kommune die Hand drauf und kann sagen: Ich ändere
den Bebauungsplan nicht!“
Strübbe ist sich darüber klar, dass bei manch einem
Kommunalpolitiker, der aus sozialpolitischer Sicht ambu-
lanten und quartiersnahen Wohn- und Betreuungsformen
Priorität einräumen möchte, dennoch das Argument Wi-
derhall finden könnte, eine große stationäre Einrichtung
bringe doch auch Gewerbesteuer und Arbeitsplätze mit
sich. „Da müssen wir den Bürgermeistern dann sagen,
dass wir nachher aber über die Sozialhilfe wieder zur
Kasse gebeten werden.“ Im Vordergrund steht für den
Politiker jedoch kein monetäres, sondern das fachliche
Anliegen, ambulante Wohn- und Betreuungsformen zu
stärken und sich als Kommune nicht zum Spielball von
Investoreninteressen machen zu lassen.
Wie geht es weiter in Warendorf? Die Kreisverwaltung
hat nun den Auftrag, mit den Städten und Gemeinden ein
Konzept für den Umgang mit Investorenanfragen für den
Bau von stationären Pflegeeinrichtungen zu entwickeln.
Stadt Esslingen:
Gemeinweseneinbindung erwünscht
Vielleicht lohnt sich dafür ja ein Blick in den südlichen
Teil Deutschlands. In der Stadt Esslingen am Neckar ist
man nämlich schon vor geraumer Zeit zu einer ähnlichen
Problemeinschätzung gekommen wie in dem NRW-
Landkreis. Unkontrollierter Bau von privaten Pflege-
einrichtungen ohne Berücksichtigung der kommunalen
Planung und des örtlichen Bedarfs und ohne Einbindung
in das Gemeinwesen – das ist auch hier nicht gewollt.
„Uns ist wichtig, dass Heime nicht irgendwo nach den
Interessen der Investoren hingestellt werden“, erläutert
der Leiter des Amtes für Sozialwesen, Bruno Raab-Monz.
„Sie sollen in ein dezentrales Konzept eingebunden sein.
Wir wollen, dass Angehörige, andere Bezugspersonen
und soziale Organisationen kurze Wege haben.“
Noch mehr Einrichtungen im ohnehin schon gut aus-
gestatteten Innenstadtbereich, das wollte man nicht.
Wenn also neue Einrichtungen entstehen sollen, die
laut Bedarfsplanung notwendig sind, dann bitte schön
in den Ortsteilen, die bisher weniger oder gar nicht
gut bedacht worden sind. „Nur so kann Gemeinwesen-
Plant ein Investor den Bau einer großen stationären
Einrichtung, ist meist eine Änderung des Bebauungsplans
nötig. Hier entscheidet die Kommune und kann damit
auch Großeinrichtungen verhindern.